Toruń meets Munich: a report

Design by Alicja Golańska/AHOJ Nachbarn

On 21.10.2022 we had the opportunity to hold our first ever AHOJ workshop with a group of high school students. The 11th grade from the „Samuel-Heinicke-Fachoberschule des Augustinum“ in Munich hosted young people from Toruń’s „VI LO im. Zesłańców Sybiru“ high school for a week.

Our workshop was the finale before the long journey home. We took the chance to interview the polish and german students about their intercultural experiences. How will they remember their time in Poland, or vice versa, in Germany?

Introducing AHOJ Nachbarn and myself to the students. Picture: Jutta Behnke.

Discovering Poland

The German teens were very excited to visit Poland. Most of them knew almost nothing about Polish culture and history, thus they were very curious and had a blank space to fill in for themselves. Some time before the workshop, the group traveled to the towns of Gdańsk and Toruń.

There they had a full program of sightseeing and activities. Especially the Solidarność museum in Gdańsk and the workers strikes deeply impressed them. The group also visited Westerplatte, a tragic spot in German-Polish history, where WWII first began in 1939. Luckily, both groups were able to move on from the past during the stay and spent some evenings in the local pubs. One girl from Munich told us:

„I highly enjoyed hanging out together in the beautiful old towns of Gdańsk and Toruń. Going to the Karaoke bar in Toruń was a lot of fun!
Sitting by the river Vistula (Weichsel / Wisła) was very relaxing.“

„Our sausage is still better than polish sausage.“,  another German student noted in his review. We from AHOJ Nachbarn say this is up for discussion, as we looove kiełbasa  🌭

Cultural misunderstandings were also mentioned:

„I had a bit of money left from the trip to Poland and wanted to give it to a girl. She was uncomfortable with it and I didn’t expect that.“

Kamil having fun talking to the pupils. Picture: Jutta Behnke.

Servus in München!

Some months later, the Polish class made their way to Munich. What would they encounter there? Many of them had never been to Germany before or have not participated in an intercultural exchange beforehand.

Some of the Polish students remembered being nervous before coming to Munich. One of them told us: 

“I thought my English would be too weak and that the German pupils would correct me constantly. But I was wrong, and we understood each other well!”

Others were sad about leaving their friends behind at home. At the same time the young people were excited to visit historical spots in Munich and learn more about German culture. The young people particularly liked Munich’s local architecture and legends, like the story of Satan’s footprint at the Marienkirche cathedral. Our (quite complicated) public transport system was also a hit!

Most often, our visitors liked comparing Bavarian cuisine to their own. It was a common theme in both youth groups.

“German Schnitzel is just like our kotlet!”
“The beer is very good and cheap.” 🍻
(Cheers to that 😉)

Still many of the Polish students found it difficult to start a conversation with their exchange partners. Therefore it is no suprise that joint activities were a real ice breaker and helped overcome mutual shyness. Many would have liked more free time to connect to each other outside of the official setting.

Picture by Jutta Behnke.

Europe, our shared home

Another question we asked was: “What does Europe mean to you?”

The students, both from Poland and Germany, answered:

“Europe is my home.”
“Europe is a community of shared values.”
„It’s a place for travelling and meeting different cultures.“
„In Europe I feel safe and free.“

CC-licensed by Pixabay: https://www.pexels.com/de-de/foto/kartenillustration-269790/

We were glad to see students from two neighbouring countries agreeing on positive aspects of the multinational and multicultural community we live in. 
During our workshop, we also chatted with the participants and discovered that many of them hadn’t recapped the exchange program up until that point.

Especially the German group seemed relaxed and casual about the experience.
On the other hand, many Polish students had gathered strong impressions during the trip. Some wanted to discuss history and the difference in teaching about the past.

There was a visible need for deeper discussions among the young people, which should be openly addressed by future cultural exchange programs. We from AHOJ hope for more meetings between polish and german youth so that both can overcome barriers between the nations. After all, we all love beer 🍻 🍻 🍻

Personal comment: Thank you for reading! This is my first article for AHOJ Nachbarn and I hope you had fun reading it. Also, I want to thank Kamil Safin for organizing the workshop and especially both student groups for their time and the openness they showed us. Auf Wiedersehen und na razie! Alicja

Unser neuer Vorstand für 2022, Ahoj!

Wir begrüßen herzlich unseren neuen Vorstand. Kamil wurde zum zweiten Mal als 1. Vorstand gewählt. Julia Franz (ehemaliger 2. Vorstand) und Kristina Tolok (ehemalige Schatzmeisterin) bleiben Ahoj Nachbarn weiter verbunden und freuen sich über die neu gewählten Mitglieder, die die Positionen des 2. Vorstandes und der Schatzmeisterin übernommen haben. Vielen Dank an Julia und Kristina für das zweijährige Engagement im Vorstand! 

Der 2. Vorstand ist Simone Guidetti, der seit einem Jahr Mitglied bei Ahoj Nachbarn ist, und er stellt sich in unserem Blog vor:

Ahoj und Ciao!
Ich heiße Simone und bin der zweite Vorstand unserer bunten Ahoj-Gruppe! Ursprünglich komme ich aus Italien (Reggio Emilia), aus einer Region, die seit Jahrzehnten Kontakt zum osteuropäischen kulturellen Raum hat. Man könnte ja fast „postsowjetische italienische Region“ sagen: wer hat schon mal von einer kleinen und typisch-italienischen Stadt mit einem zentralen Lenin-Platz und einer Büste Lenins gehört (Cavriago)? 
Mich haben immer die balkanische, kroatisch-serbische und die russische Sprache und Kultur fasziniert. In München habe ich Slawistik an der LMU studiert und bin der Gruppe Ahoj Nachbarn beigetreten, um auch in dieser Stadt das zu finden, was ich schon immer von den besuchten Ländern in Ost- und Südosteuropa vermisst habe: die vielfältigen Kulturmischungen und Subkulturen, den humorvollen Sprachaustausch, die Melodie eines osteuropäischen Schlagers aus den 80-ern und den Duft von frisch gebackener Sirnica oder gekochten Pel’meni.
Was ich besonders wichtig an Ahoj finde? Die einzigartige Möglichkeit, alles in einer Gruppe zu vereinen, was man in einer Stadt sonst nur noch einzeln und separat erleben kann: osteuropäische Sprach- und Kulturaustausche, News über osteuropäischen Film- und Musikfestivals, erstaunliche Essspezialitäten und noch viel, viel mehr.

Und unsere Schatzmeisterin Alicja Golańska:

Witajcie liebe Ahojskis!
Vielen Dank für euer Vertrauen in mich als neue Schatzmeisterin! Seit 2021 bin ich Mitglied in Ahoj Nachbarn, kenne den Verein und die Mitglieder aber schon bedeutend länger. Rekrutiert hat mich unser liebe Kamil, mit welchem ich zusammen an der LMU Slavistik studiert habe. 
Unsere gemeinsame Leidenschaft ist die polnische Kultur und Sprache, welche ich auch in Ahoj vertreten möchte!
Seit 2021 bin ich Alumnus des Elitestudiengangs (jaaa ich weiß wie das klingt!) Osteuropastudien an der LMU München. Beruflich bin ich in Uninähe geblieben und bin in der Mittagspause oft im StaBi Café anzutreffen.
Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die Idee mit der Promotion klappt und ich spannende Projekte mitmachen kann. Falls alles nicht fruchtet, mache ich eine „Pierogarnia“ auf (ein Restaurant mit polnischen Teigtaschen)! Somit: Ich freue mich auf die Arbeit im Verein!

Polnische Kriminalromane für den Sommer

Von Iwona Smól

Remigiusz Mróz ist einer der beliebtesten Kriminalschriftsteller Polens. Jedes Jahr veröffentlicht er mindestens einen neuen Roman und hat bereits mehr als 30 Bücher geschrieben. Seine weiteren Krimireihen wurden und werden erfolgreich in verschiedene Sprachen übersetzt. Heute soll über die Krimireihe mit Damian Werner erzählt werden.

Der erste Band „Nieodnaleziona“ trägt den deutschen Titel „Die kalten Sekunden“ und erzählt von einem Mann, der zehn Jahre nach dem Verschwinden seiner Verlobten Ewa Spuren zu ihr findet und sich auf eine Suche nach ihr begibt. 

Damian kannte Eva seit seiner Kindheit und dachte, dass es keine Geheimnisse zwischen ihnen gäbe. Unerwartet stellt sich jedoch heraus, dass er nicht alles über sie wusste. Eine rasche Erzählweise, die mit einfacher Sprache und verschiedenen Plottwists in fast jedem Kapitel gepaart ist, halten den Leser das gesamte Buch über in Spannung. Eine weitere Frau kommt ins Spiel und versucht Damian zu helfen. Es bewegt den Faden häuslicher Gewalt. Der Autor des Romans ist ausgebildeter Jurist, was sich auch oft in den Handlungen seiner Bücher äußert.

Der zweite Band „Bis zum Ende“ – Originaltitel „Nieodgadniona“ liest sich wie ein Thriller. Die Geschichte wird abwechselnd von Damian und Kasandra erzählt. Dadurch kann man sich gleichzeitig sehr gut in zwei Charaktere hineinversetzen. Kasandra hat viel mit der vermissten Eva gemein und Damian hofft die ganze Zeit, dass seine verschwundene Verlobte noch am Leben ist. Als er eine alte und geheimnisvolle Videokassette findet, auf der Ewa ihre Lebensgeschichte aufgezeichnet hat, benötigt er erneut Hilfe von Kasandra. Dies entpuppt sich als schwieriger als gedacht, da sie gerade verhaftet worden ist und in einem berühmt-berüchtigten Frauengefängnis landet.

Die ganze Geschichte ist sehr mysteriös und spannend, und es empfiehlt sich sehr, das Schicksal der verlorenen Eva zu ergründen. Mróz garantiert einige aufregende Abende mit dem Buch.

Remigiusz Mróz, „Die kalten Sekunden“, aus dem Polnischen von  Marlena Breuer und Jakob Walosczyk, ISBN: 978-3-499-27606-4, Rowohlt 2019, 384 Seiten.

Remigiusz Mróz, „Bis zum Ende“, aus dem Polnischen von  Marlena Breuer und Jakob Walosczyk, ISBN: 978-3-499-00252-6, Rowohlt 2020, 398 Seiten.

Ahoj Nachbarn on air – Ukraine

Am 14. Juni um 17 Uhr gibt es die nächste Podcast-Folge von „Ahoj Minga. Streifzüge durch das osteuropäische München“ auf Radio Lora 92.4! Diesmal geht es um die ukrainischen Geflüchteten, die in den letzten Wochen nach München gekommen sind. Was für Erfahrungen mussten sie auf der Flucht machen, mit was für Problemen waren sie bei ihrer Ankunft konfrontiert, wie sehen sie ihre Zukunft hier in München? 

Olha Rubtsova (3. Person von links) zusammen mit anderen gefluchteten Ukrainer:innen, die Gästin unserer neuen Podcast-Folge bei Charity Bar Abend im Sub. © Munich Kyiv Queer

Zu Gast bei uns diesmal eine Aktivistin aus Schytomyr, die Ukrainer:innen in der Ukraine von München aus hilft und jetzt auch mit Organisationen in München kooperiert. Zudem sprechen wir mit einer Ukrainerin aus Odesa, die sich dort u.a. als Leiterin des Chor-Projekts QWERTY Queer engagiert hat und nun auch in München künstlerisch aktiv wird. Das und noch mehr über das osteuropäische München erfahrt ihr am Dienstag, den 14. Juni um 17 Uhr auf Radio Lora 92.4. Seid dabei!

Oleksandra Semenova (in der Mitte) mit ihrer Freundin und Mutter am ersten Abend in München nach der Flucht, Oleksandra ist Aktivistin aus unserer neuen Podcast-Folge. © Oleksandra Semenova

Wo kann die Sendung gehört werden: Live auf RADIO LORA 92.4

Wann: Dienstag, den 14.06.22 von 17-18 Uhr 

Der Link zum Live-Stream: https://lora924.de/podpress/live-stream/

Frühlingsgöttin Polonia und das ukrainische Hirtenmädchen

Die Münchner HypoKunsthalle präsentiert mit „Stille Rebellen“ 130 der wichtigsten Gemälde Polens um 1900

Von Katrin Hillgruber

Edward Okuń Wir und der Krieg 1917–23 (Nationalmuseum in Warschau)

Das Gewissen der Nation trägt Rot. Jedes Schulkind in Polen kennt den Narren Stańczyk, dem der Historienmaler Jan Matejko 1862 seine eigenen Züge verlieh. Im feuerfarbenen Kostüm samt dreizipfliger Narrenkappe und einem Amulett der Schwarzen Madonna von Tschenstochau um den Hals sitzt Stańczyk  im Krakauer Schloss und blickt betrübt auf seine gefalteten Hände. Denn im Gegensatz zur ausgelassenen Hofgesellschaft sorgt sich der Patriot um sein Vaterland. Neben ihm liegt ein mit 1533 datiertes Schreiben, auf dem der Name der westlitauischen Landschaft Samogitia zu erkennen ist, damals Teil des 1386 gegründeten polnisch-litauischen Großreichs, das in Polen heute noch verehrt und verklärt wird. Assoziiert wird das Gemälde jedoch mit dem Verlust von Smolensk an das Großfürstentum Moskau im Jahr 1514, wie der lange Titel verrät: „Stańczyk während des Balls am Hofe der Königin Bona, als die Kunde vom Verlust von Smolensk eintrifft“. Die Münchner Ausstellung „Stille Rebellen. Polnischer Symbolismus um 1900“ verzichtet allerdings auf die Nennung der Titel im polnischen Original, was das historische Verständnis unnötig erschwert.

Jan Matejko Stańczyk 1862 (Nationalmuseum in Warschau)

„Stańczyk“ wurde im Zweiten Weltkrieg von den deutschen Besatzern geraubt, geriet nach Moskau und wurde erst 1956 an das Nationalmuseum in Warschau zurückgegeben. Dieser Umstand ist besonders pikant, da sich Polen ja stets und nicht ohne Grund von den beiden großen Nachbarn im Westen und Osten bedroht gefühlt hat. Ab der dritten Polnischen Teilung 1795 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs 1918 war das Land praktisch von der Landkarte getilgt und unter Russland, Preußen und Österreich-Ungarn aufgeteilt. Umso wichtiger wurden die Künste – neben der Sprache und katholischen Religion – für die Aufrechterhaltung der nationalen Identität: „Was unsere Umgebung uns nicht geben kann, das sollte die Kunst uns gewähren“, schrieb Stanisław Wyspiański, Schöpfer des berühmten Krakauer Park-Panoramas „Planty“ und des für die polnische Literatur zentralen Theaterstücks „Wesele“ (Hochzeit). Darin wird unter der Beteiligung historischer Gestalten zum Volksaufstand aufgerufen, mit einem goldenen Horn, das als Symbol häufig in bildlichen Darstellungen der sagenhaften Jagiellonen-Könige auftaucht.

Matejko hatte ab 1858 an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste in München studiert. Zwischen 1820 und 1914 zog es rund 300 polnische Künstler ins katholische „Isar-Athen“, vor allem Malerinnen und Maler wie Olga Boznańska – die gleich zwölf Jahre blieb und an der Art-Déco-Zeitschrift „Jugend“ mitwirkte – oder die Brüder Maksymilian und Aleksander Gierymski. Letzterer malte um 1890 die Ludwigsbrücke in einer blau-rosa-violetten Abenddämmerung, durch die schwarzgewandete Gestalten huschen. Boznańska ist mit drei Porträts in der HypoKunsthalle vertreten, darunter dem „Mädchen mit Chrysanthemen“: Die Züge des scheuen Kindes sind ähnlich diffus wie die fedrig-zarten Blüten. So ist es als eine Art später Heimkehr zu werten, dass der ikonische „Stańczyk“ nun mit dem ersten von zehn thematischen Räumen die spektakuläre Ausstellung in der Münchner Hypokunsthalle eröffnet. 

Jacek Malczewski Polnischer Hamlet. Bildnis des Grafen Aleksander Wielopolski 1903 (Nationalmuseum in Warschau)

130 der bedeutendsten Gemälde Polens sind in dieser Dichte erstmals in Deutschland zu sehen, viele von ihnen wurden noch nie im Ausland gezeigt. Darunter befindet sich der zum Briefmarken-Motiv geadelte „Polnische Hamlet“ des Matejko-Schülers Jacek Malczewski von 1903:  Es zeigt den Regierungschef Kongresspolens Wielopolski Blütenblätter zupfend zwischen einer gefesselten alten und einer befreiten jungen Polonia. Mit „Stille Rebellen“ dokumentiert die HypoKunsthalle einen blinden Fleck in der westlichen Wahrnehmung – von einem „peinlichen Manko“ spricht die Kuratorin Nerina Santorius. Auch Direktor Roger Diederen erschütterte es geradezu, dass er auf der Suche nach Leihgaben in keinem einzigen deutschen Museum fündig geworden sei. Das staatliche Adam-Mickiewicz-Institut in Warschau eilte im Verbund mit den Nationalmuseen in Warschau, Krakau und Posen tatkräftig zur Hilfe, diese Wissenslücke zu schließen. Für ihr Institut sei es die größte Kooperation in den 22 Jahren seines Bestehens, sagte die Direktorin Barbara Schabowska. Immerhin widmete die große binationale Ausstellung „Tür an Tür“ 2011 im Berliner Gropius-Bau den polnischen Künstlern in München ein Kapitel. 

Durch den russischen Überfall auf die Ukraine haben die „Stillen Rebellen“ eine traurige Aktualität erlangt. Denn auch dem besetzten Polen sprach Russland wie jetzt der Ukraine eine eigene kulturelle Identität ab; ab 1880 war in Verwaltungsdokumenten gar nur vom „Weichselland“ die Rede. Heute noch lässt sich an der Architektur polnischer Städte erkennen, zu welchem Staat sie während der 123-jährigen Besatzungszeit gehörten. Im russisch regierten Warschau ging es sehr viel strenger zu als im liberalen Krakau, wo unter anderem die „Kajzerki“-Semmeln vom österreichischen Erbe zeugen. 1830 und 1863 kam es in Kongresspolen zu Aufständen. 1864 wurde in Warschau die wesentlich von Wojciech Gerson geprägte Schule der Schönen Künste geschlossen, was viele Eleven ins Ausland aufbrechen ließ.  

Józef Chełmoński Altweibersommer 1875 (Nationalmuseum in Warschau)

Zu den „polnischen Münchnern“ zählt auch Józef Chełmoński, der die Landschaftsklasse von Hermann Anschütz belegte. Chełmońskis Gemälde „Altweibersommer“ von 1875 zeigt eine ukrainische Schäferin bei der Rast, während ihr schwarzer Hund Wache hält. Fröhlich betrachtet sie einen Flugfaden, der sich von dem gelben Stoff unter ihrem Kopf abhebt. Wegen seines „bäuerlichen“ Charakters war das Werk in der kommunistischen Volksrepublik besonders populär. 

Die „Stillen Rebellen“ schwanken zwischen zwei Polen: der Hinwendung zu heimischen, besonders urwüchsigen Landschaften wie der Tatra und zur Volksfrömmigkeit als spirituellen Kraftquellen sowie internationalen Einflüssen wie dem Pariser Japonismus oder der Décadence. Als besonders produktiv und vielseitig erweist sich Jacek Malczewski: Während sein Triptychon mit Jesus und zwei Landsleuten in sibirischer Verbannung für westliche Augen dem religiösen Kitsch gefährlich nahe kommt, überzeugt „Kunst auf dem Gutshof“ von 1896 durch synästhetische Originalität: Vor einer Schar Truthähne, die sich wie Noten aufreihen, tröstet ein Faun das weinende Bauernmädchen mit seinem Flötenspiel. 

Władysław Jarocki Helenka aus Poronin 1913 Nationalmuseum in Warschau

Eine Münchner Besonderheit war die „Stimmungslandschaft“, die von Symbolisten wie Arnold Böcklin und Franz von Stuck beeinflusst war. So schuf Julian Fałat imposante Schneepanoramen. Von  Ferdynand Ruszczyc sind eine beneidenswert freischwebende Wolke oder symbolistisch gedrungene „Alte Apfelbäume“ in düsteren Farben zu sehen. Die zahlreichen Porträts der schlafenden Herbst- und Winternatur standen für das seiner Befreiung harrende „Volk ohne Staat“. Mit der modernistischen Bewegung „Junges Polen“ (Młoda Polska) taute ab 1890 das Eis und es zogen übermütige Frühjahrsmotive in die Kunst ein: spielende Kinder, ekstatische Frauen, Faune, ein Ritter inmitten von Blumen. Was mit dem ernsten Narren Stańczyk beginnt, endet mit der fröhlich in die Lüfte aufsteigenden Polonia als Allegorie der souveränen Nation.

HypoKunsthalle München, bis 7. August (www.kunsthalle-muenchen.de).