„Все будет хорошо!“ („Alles wird gut!“) Barbara und ihre Zeit in Russland

Vielleicht spielt ihr mit den Gedanken, für einige Zeit nach Russland zu gehen? Oder vielleicht würdet ihr gerne wissen, wie es ist, dort – tausende Kilometer weg von hier – eine interkulturelle Mission zu verwirklichen? Dann lest unbedingt die Eindrücke von Barbara Anna Bernsmeier, die nach 3 Jahren in Russland (Novosibirsk und Wolgograd) wieder in Deutschland ist und am 5.11. russische Kurzfilme im Monopol Kino München präsentiert.

Foto 1 ©Gala Izmaylova


Mein Name ist Barbara, ich bin noch 29 Jahre alt und habe in München Literaturwissenschaften und Slavistik studiert. Ich mag den Winter (und alles, was zu ihm gehört), Poesie, Kontakte aufbauen und halten, lange Zugfahrten. Außerdem backe ich leidenschaftlich gerne.

 

Insgesamt war ich vier Jahre in Russland. 2008/2009 zunächst über ein Kontaktstipendium der LMU München als Austauschstudentin in Orenburg (Südural). Als ich wieder zurück kam, merkte ich, dass ein Stückchen meines Herzens irgendwo zwischen Moskau und Stillem Ozean geblieben war und mich zog es immer wieder nach Russland. Nach Ende meines Studiums war ich dann ein Jahr als Sprachassistentin für das Goethe-Institut in Akademgorodok bei Nowosibirsk – einem idyllischen Wissenschaftlerstädtchen mitten in den Wäldern der Taiga. Von dort ging es beinahe direkt in das südrussische Wolgograd, wo ich von 2013-2015 als Stipendiation im Programm „Robert Bosch Kulturmanager in der Russischen Föderation“ war. Hier initiierte und organisierte ich zahlreiche Kulturprojekte und versuchte, den künstlerischen Austausch zwischen Deutschland und der Wolgograder Region zu stärken. Je länger ich in Russland bin, desto komplizierter wurden die Verhältnisse zwischen Russland und Westeuropa auf der staatlichen Ebene. Und desto wichtiger schien es mir, dass der Austausch in den Bereichen Bildung, Jugend und Kultur aufrecht erhalten und aktiv gefördert wird.

 

Foto 2 - ©Barbara Bernsmeier

Aus allen erinnerungswerten Ereignissen wähle ich eines aus, dass eigentlich sehr viel widerspiegelt. Im Februar 2014 hatte ich meine allererste Veranstaltung, ein Stummfilmabend mit Filmen von Ernst Lubitsch und Live-Begleitung durch ein Wolgograder Elektro-Duo. Der Abend fand in einem linksalternativen Jugendzentrum in der Schwesterstadt Wolgograds, in Wolshski, statt. Um 19.00 sollte er beginnen. Um 18.40 war immer noch kein Beamer da. Nach Nachfragen wurde von den Jungs vor Ort erläutert, ihre Freundin, die Lehrerin an einer Schule sei, bringe einen von dort mit. Sie kam um 18.52 Uhr. Statt der „Austernprinzessin“ von Lubitsch sahen wir nur die Titel „Acer – no Signal“. Ich hatte alle Hoffnungen auf einen erfolgreichen Filmabend schon verworfen. Aber – um 19.00 starteten wir die Veranstaltung mit einem scharf gestochenen Bild vom Beamer. Das statt einer Leinwand ein Leinenbettlaken auf die Wand gespannt war, hat niemanden gestört.

 

In Russland hört man oft den Satz „Все будет хорошо!“ („Alles wird gut!“) – zunächst hielt ich ihn für eine so dahergesagte Floskel. Tatsächlich habe ich während meiner Zeit gelernt, ein Grundvertrauen in die Menschen um mich herum zu entwickeln (siehe oben). Zudem sind meine russischen Bekannten allesamt „Überlebenskünstler“ – sie haben 2,3 Jobs (mit einem käme man auch kaum über die Runden), betreuen noch ihre Babuschka, haben Familie und pflanzen Kartoffeln auf der Datscha ein. Dennoch scheinen sie dies alles unter einen Hut zu bekommen – und zwar ohne viel Stöhnen. Das fasziniert mich bis heute und hat mir auch klar gemacht, dass ich mich nicht so häufig über „zu viel Arbeit“ beschweren sollte.

Foto 3 ©Sergey Zirkunov

Zum einen war es natürlich merkwürdig, gerade jetzt – wo auf wirtschaftlicher und politischer Ebene die deutsch-russischen Beziehungen mehr und mehr einfrieren – zu gehen. Es fühlt sich so an, als würde auch ich mein Russland im Stich lassen. Aber ich merke, dass Russland, das heißt vor allem die russische Sprache, meine Kontakte dort, die Kultur, die Literatur, mir so nahe geworden sind, dass ich sie nie wieder ganz loslassen werde. Zurückkommen werde ich mit Sicherheit noch häufig und für meine neue Zeit zurück in Deutschland plane ich Fortsetzungen mehrerer Projekte, die meine Kollegen und ich in Wolgograd begonnen haben. Eines davon werdet ihr am 5.11. beim Kurzfilmabend kennenlernen – die deutsch-russischen Kurzfilmtage „Vkratze!“, die ich in Wolgograd und Region zwei mal durchgeführt habe. Während wir dem Münchner Publikum ein Best-Of präsentieren, arbeiten meine Kolleginnen in der Agentur für Kulturinitiativen in Wolgograd schon an der Ausgabe der 4. Kurzfilmtage im März 2016 in Russland.

 

Für Bewerber des Kulturmanagerprogramms der Robert Bosch Stiftung und des Goethe-Instituts kann ich nicht mehr viel tun, denn dieses Programm wurde leider mit Beendigung meines Stipendienturnus im Sommer 2015 eingestellt und Bewerbungen somit nicht mehr möglich. Aber beide Organisatoren haben dennoch weitere Programme, mit denen man für 1-2 Jahre in russischsprachigen Ländern leben und arbeiten kann: beim Goethe-Institut das Programm „Sprachassistenten in der GUS“ (mit dem ich ja auch ein Jahr weg war) und bei der Robert Bosch Stiftung das Lektorenprogramm an Hochschulen in Osteuropa und China. Ich denke, der beste Tipp von meiner Seite aus wäre – lasst euch auf eine Stadt oder Region ein – selbst wenn ihr noch nie von ihr gehört habt!

 


VKRATZE! Kurzfilme aus Russland
am Do, 5.11. um 20:00 Uhr
im Monopol Kino, Schleißheimer Str. 127
Eintritt: 6,50€
Tickets: www.monopol-kino.de


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Über Natalia

Natalia Garbacz Nachdem sie 2004 ihr familäres Nest in Warschau verließ, brach sie nach Deutschland auf. Sie nahm ein Studium der Theaterwissenschaften in Erlangen auf, welches sie später in München abschloss. Den Ahoj-Nachbarn-Verein nahm sie von Nürnberg nach München mit und ist seither grenzenlos stolz darauf, dass er Schöpfer solch toller Projekte wie dem polnischen Filmfestival Cinepol oder des osteuropäischen Stadtführers Ahoj Minga geworden ist. Ehemalige Vorsitzende des Vereins Ahoj Nachbarn (2007-2013, 2013-2015).