Auf dem Bild: Agnieszka Kowaluk (links) bei der „Gut gepolt!“-Lesung von „Das Alphabet der polnischen Wunder“ mit Bartek Chaciński und der Herausgeberin Stefanie Peter.
Die Veranstalterin von „Gut gepolt!“ – Agnieszka Kowaluk
Ich sage, ich sei „eine Polin in München“, weil es ein bisschen wie „Ein Amerikaner in Paris“ klingt und ich liebe diesen Film! Von Beruf bin ich Literaturübersetzerin (zum Beispiel Elfriede Jelinek oder Tschick von Wolfgang Herrndorf), Autorin (das Buch Du bist so deutsch erschien letztes Jahr, die Kolumne „Mein Deutschland“ erschien ein paar Jahre in der SZ), neuerdings auch Deutschlehrerein.
Ich habe eine ziemlich internationale Familie, es ist schön zu beobachten, wie wir alle miteinander
interkulturell klar kommen. Wenn wir zusammen Brettspiele spielen, zum Beispiel „Siedler von Catan“, lernen meine Deutschen schnell die nötigen Begriffe auf Polnisch. So kommt es, dass sie dann „kupię owce“ oder „kupię drewno“ (ich kaufe ein Schaf, ich kaufe Holz) sagen können. Ob sie damit in Polen weit kommen würden? Wer weiß.
Wie kam es zu „Gut gepolt!“?
Seit Jahren arbeite ich als Übersetzerin deutscher Literatur ins Polnische, weil ich an dem Vermitteln zwischen den beiden Sprachen und Kulturen immer schon eine große Freude hatte, ich würde sogar sagen, diese Arbeit ist meine Daseinsberechtigung für mein Leben in der Fremde. Eines Tages, ziemlich spontan, entschied ich, auch in die umgekehrte Richtung zu wirken. Ich las gerade Dorota Masłowskas Reiherkönigin auf Polnisch (Paw królowej) und überlegte, wen ich alles für das Projekt begeistern könnte, polnische Autoren in München einzuladen. Zum Glück fanden sich gleich wunderbare Partner, mit denen ich schon seit zehn Jahren das Projekt „Gut gepolt!“ vorantreibe. So kann das deutsche Publikum – und die hier lebenden Polen – so ziemlich auf dem Laufenden sein, was die polnische Gegenwartsliteratur in deutscher Übersetzung betrifft. Ich empfinde es als eine Art Mission, eine Art Tribut, den ich gleichzeitig meiner ersten wie meiner zweiten Heimat zahle. Den Namen „Gut gepolt!“ erfand übrigens meine damals 6-jährige Tochter, in Anlehnung an die Floskel: „Das hast du gut gedeutscht“. Aber „gepolt“ meint nicht nur die – polnische – Sprache, sondern soll auch „polarisieren“ und „Pol“ evozieren. Zwischen zwei Polen leben, eben „gut gepolt“ zu sein, das versuche ich privat wie beruflich. Die Lesungen finden auch noch zufällig im Club Amperé des Muffatwerks statt, also – „passt“, wie der Bayer sagt.
Jede Lesung ist einzigartig und erfordert aber gleichzeitig setzt jede Menge Energie frei. Der Anblick von Olga Tokarczuk, die feuchte Augen bekam, als die großartige Wiebke Puls von den Kammerspielen aus ihrem Unrast (Bieguni) vorlas, war schon ein besonderer Moment. Überhaupt passieren auf der Bühne Dinge, die man beim Lesen nicht voraussehen kann, wie im Theater. Wie Wladimir Nabokov sagte: „Der liebste Traum eines Autors ist es, den Leser in einen Zuschauer zu verwandeln.“ Wir machen es möglich!
Auf dem Bild: Olga Tokarczuk (links) und Agnieszka Kowaluk (rechts) bei der Lesung von „Unrast“ im Cafe Ampere in München.
Am Do, 10.12. „Gut gepolt“ mit der Schriftstellerin Dorota Masłowska
Dorota Masłowska war das lange Zeit das, was man so schön Shootig Star der Literaturszene nennt. Ihr Schneeweiß und Russenrot war – auch in Deutschland – ein richtiger Hit gewesen, auch die Verfilmung war ein Ereignis. Jedes nächste Buch wurde aufs Genauste analysiert, die Nation spaltete sich in Masłowska-Fans und Maslowska-Kritiker. Wie du dir denken kannst, gehöre ich zu den glühenden Fans. Für mich hat die Autorin eine ganz eigene, unverfälschte Sprache, die direkt den Sprachnerv des Lesers trifft. Obwohl man bei der Lektüre öfter laut loslacht – neulich ist mir das mit ihren Feuilletons in einem vollen ICE alle paar Minuten passiert – hat das, was sie schreibt, gleichzeitig eine seltene Wahrhaftigkeit. Im Umgang mit der Sprache erinnert sie mich übrigens an eine der von mir übersetzten Autorinnen. Die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek bewundere ich für genau dasselbe: unter die Oberfläche schauen, in dem scheinbaren Phrasendreschen die Sprache, die wir täglich benutzen, demaskieren. Es ist vielleicht die wichtigste Aufgabe, die Literatur erfüllen sollte. Für mich sind das zwei ganz große Künstlerinnen.
Das neue Bucht von Masłowska – ein gutes Weihnachtsgeschenk?
Ein perfektes Geschenk! Aus den oben genanten Gründen, aber auch, weil es sehr amüsant ist, natürlich haben wir auch in Liebling, ich habe die Katzen getötet den charakteristischen Masłowska-Sound, den so viele mittlerweile nachzuahmen versuchen, der aber unverwechselbar bleibt. Auch hier prüft Maslowska unsere – und damit meine ich nicht nur die polnische – Sprache auf Oberflächlichkeiten, Klischees und Phrasen. Man soll sich nicht von der Leichtigkeit des Textes täuschen lassen. Und auch nicht denken, da es in einer fiktiven amerikanischen Großstadt spielt, würde es uns nicht betreffen. Es betrifft genau uns, uns Polen, aber auch uns Deutsche, Tschechen, alle, mit unseren Vorstellungen vom so genannten besseren Leben, dem Leben aus den Hochglanzmagazinen. Das Lachen bleibt einem manchmal schon im Hals stecken, aber gute Literatur war nie nur zum Unterhalten da, denke ich.
Dorota Masłowska, 1983 in Wejherowo / Polen geboren, schrieb ihren ersten Roman Schneeweiß und Russenrot im Alter von 18 Jahren. Das Buch wurde in mehr als zehn Sprachen übersetzt, in Polen als literarische Sensation gefeiert und auch in Deutschland war der Roman ein großer Erfolg. Schneeweiß und Russenrot ist ein literarisches Porträt der Subkultur in einer modernen polnischen Stadt. Drei Jahre später folgte Die Reiherkönigin (Paw Królowej), für den sie 2005 die bedeutendste literarische Auszeichnung Polens, den Nike-Literaturpreis, bekam. Beide Romane wurden für‘s Theater adaptiert. (Quelle: Cafe Ampere)