Mit Ahoj Nachbarn bei der Polizei

Ein kollektiver Besuch des Stücks „Die Polizei“ von Sławomir Mrożek in der Inszenierung des Tod & Teufel Theaters.
Der Keller der kleinen Künste ist ein wirklicher Keller in der Buttermelcherstraße. Steigt man die Stufen hinab, gelangt man in ein weiß getünchtes Gewölbe. Eine kleine Bar und ein paar Sitzgelegenheiten vor freier Fläche, so einfach und unprätentiös kann Kunst ein Raum geschaffen werden.

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Sandra Bosch, Sabrina Ronacher und Nadia Schwienbacher / Foto: Steffen Rommel

Der Kommandant (Sandra Bosch) der Polizeibehörde im Land des Infanten und seines Onkels des Regenten hat ein Problem. Gerade gibt der einzige Gefangene des Landes (Nadia Schwienbacher) nach vielen Jahren seinen Gesinnungswandel bekannt. Er möchte nicht länger gegen die Regierung kämpfen sondern ist nun vollends von deren Führung und Methoden überzeugt. So plausibel sind die Einlassungen zu seinem inneren Umbruch, dass dem Kommandanten nichts anderes übrig bleibt, als den scheinbar geläuterten Verschwörer aus dem Gefängnis zu entlassen. Zum Glück gibt es ja noch den staatshörigen und äußerst beflissenen Sergeanten (Tom Ditz), der trotz seiner Abneigung gegen Zivilkleidung sogar an seinen freien Tagen der ihm aufgetragenen Aufgabe nachgeht. Er soll sich inkognito unter das Volk mischen und es zu staatsfeindlichen Äußerungen provozieren. Doch egal wo er seinem gespielten Unmut über die staatliche Führung Luft macht, überall stößt er nur auf Teilnahmslosigkeit, Ablehnung oder sogar angedrohte Gewalt. Keiner der Bürger klagt gegen die Regierung – höchstens gegen Rheuma. Was kann der Kommandant nun also tun, um die weitere Existenz seiner Behörde zu sichern? Denn wo sich kein Staatsfeind und kein Gefangener findet, wo nur noch „bestürzende Rechtschaffenheit“ herrscht, da ist die Polizei natürlich obsolet. Zum Glück gibt es ja auch für diesen Fall den staatshörigen Sergeanten, der sich als größte Ehre für den Staat opfern darf, indem er den selbigen verhöhnt und danach selbst als Verschwörer verhaftet wird. Im Gefängnis sitzend und hin- und hergerissen zwischen seiner Dienstbeflissenheit, der ihm auferlegten Rolle und der Auseinadersetzung mit den Ereignissen, kommen ihm zum ersten Mal Zweifel an den Zuständen im Land.

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Tom Ditz und Sandra Bosch als Sergeant und Kommandant / Foto: Steffen Rommel

„Die Polizei“ war das erste Theaterstück des polnischen Karikaturisten und Schriftstellers Sławomir Mrożek (1930-2013). Schon die Tatsache, dass es auf Grund des Hinweises „Dieses Stück enthält keine Anspielungen auf irgendwas und keine Metaphern“ unbeanstandet durch die Zensur ging, ist so absurd, wie das Stück selbst. Die Inszenierung des Tod & Teufel Theaters unter Regie von Makanian Zerefay präsentierte nun „eine Karikatur als Bühnestück“. So wie eine Karikatur mit wenigen Pinselstrichen Szenen überspitzt auf das Wesentliche verdichtet, so simpel sind auch Bühnenbild und Kostüme. Von Kopf bis Fuß in weiße Farbe getüncht bewegen sich die Schauspieler zwischen ein paar wenigen Requisiten und sorgen selbst mit wiederholten Pinselstrichen an ihrem Körper dafür, dass ihre Kleidung stets uniform bleibt. Die Absurdität der Geschichte, in der jeder jederzeit durch krude Logik vom Staatsdiener zum Verschwörer und andersrum werden kann und sich am Schluss alle gegenseitig verhaften, unterstreicht auch die manierierte Körperlichkeit von Sandra Bosch. Ihr hackenschlagender Kommandant gleicht einer Witzfigur, mit dessen kalkulierten Ideen und perfiden Gedankengängen aber niemals zu spaßen ist. Auch Tom Ditz und Nadia Schwienbacher finden für ihre Figuren eine überzeugende Balance, so dass dem Zuschauer trotz aller Lächerlichkeit das Lachen über den extrem wortlastigen Text bei Zeiten schon mal im Halse stecken bleiben kann.

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Grafik: Aubrey Fabay

Bezüge zu Henry David Thoreau oder Guy Fawkes bzw. Anonymous halten vor Augen, dass die im Stück behandelten Themen schon immer aktuell waren und es auch heute noch sind. Jeder Einzelne sollte sich immer wieder mit seiner Stellung in Bezug auf Überwachung, Kontrolle, Zensur und Willkür des Staates auseinandersetzen. Dabei wird die Relevanz und Aktualität dieser Auseinandersetzung durch die Auswahl und Inszenierung eines Theaterstückes von einem polnischen Autor im Jahr 2016 nur noch einmal unterstrichen.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Ahoj-Ausflug, In München von Katharina. Permanenter Link des Eintrags.

Über Katharina

Katharina lebt seit ihrem Studium in Wien ihre Leidenschaft für Filme, Reisen und kulturellen Austausch bei Filmfestivals aller Orten aus – egal ob auf spanischen Inseln, in amerikanischen Groß- oder fränkischen Kleinstädten. Kein Wunder also, dass Sie früher oder später durch Cinepol auf Ahoj Nachbarn stoßen musste. Hier freut sie sich, ihren Horizont Richtung Osten erweitern zu können und über jedes polnische Wort, das man sich leicht merken kann. Kotlet, mleko, smacznego!