Volle Tage und schlaflose Nächte – ein Ausflug zum nowe horyzonty Filmfestival in Wrocław

nhplakaAm Sonntag ist in Wrocław/Breslau ein Filmfestival der besonderen Art zu Ende gegangen. Das nowe horyzonty weist bereits in seinem (schlimmen) offiziellen Namen t-mobile new horizons international film festival auf seine, im besten Sinne, zwiegespaltene Haltung einer Arthouse-Veranstaltung im kommerzialisierten Rahmen hin.

 

Dem Publikum und der akkreditierten Filmbranche werden internationale Filmhighlights in einem Ambiente präsentiert, dem man sowohl die Liebe zu gutem Kino als auch das Geld der Sponsoren deutlich anmerkt. Welches Festival kann schon von sich behaupten, in einem eigenen Arthouse-Multiplexkino stattzufinden? Und welche Stadt sich auf ihre Fahnen schreiben, dass dieses Kino mit so viel Anspruch wie Sitzplätzen auch unter dem Jahr gut besucht ist? Wroclaw ist also nicht nur 2016 ganz vorne mit dabei, wenn es um tolle kulturelle Veranstaltungen geht.nhkino

Und natürlich kommt dabei auch das heimische Kino nicht zu kurz. Bei den Polish Days im Rahmen des Festivals werden die neueste Filmideen gepitched, Projekte vorgestellt, die bereits in der Entstehung sind und solche, die als fertiger Film wieder zurück kommen. Dazu reisen die internationalen Vertreter der Branche gerne an, egal ob vom französischen Weltvertrieb, schwedischen Festival oder dem deutschen Programmkino.

 

Genau so bunt gemischt und meistens überzeugend waren auch einige der polnischen Filme im Programm.

knives out

Knives out

KNIVES OUT von Przemysław Wojcieszek zeigt im Format 1:1 und in schwarz-weißen Bildern wie eine Party zunehmend von den nationalistisch-xenophoben Parolen und Überzeugungen der Teilnehmer überschattet wird. Wenn ein PiS-Anhänger immer wieder „Ich liebe Polen!“ schreiend durch den Wald hüpft, wird er in seinem stupiden Wahn vom heimischen Publikum ausgelacht, während die internationalen Besucher unangenehm berührt teilweise gar nicht wissen, wie sie reagieren sollen.

 

BABY BUMP von Kuba Czekaj ist auf eine andere Art und Weise radikal. Ein elfjähriger Junge versucht seine in ihm aufkeimende Sexualität zu bekämpfen. Ob dafür all die geschmacklosen Bilder, konfusen Schnitte, der enervierende Off-Kommentar einer älteren britischen Dame, eine animierte Maus, zahlreiche Urinproben und manch andere Idiotie nötig gewesen wären, hat sich mir nicht erschlossen, bis ich nach fast einer Stunde den Saal verlassen habe. Sicher kann ich dank anschließender Gespräche mit anderen Zuschauern nur sagen, dass das keine falsche Entscheidung gewesen ist.

 

 

Überzeugt hat das Publikum dafür ALL THESE SLEEPLESS NIGHTS von Michał Marczak. Der Film, offiziell als Dokumentation im Wettbewerb, folgt in losen aber präzise arrangierten Szenen zwei jungen Männern durch die Partynächte Warschaus. Auch wenn man meinen könnte, dass der äußerst stilsichere Film voll gutaussehender Menschen und mitreißender Electromusik vor allem eine ganz bestimmte Klientel ansprechen sollte, war der vollbesetzte Saal nicht nur in meiner Vorstellung begeistert. Am Ende des Festivals hat der Film den Publikumspreis gewonnen. Die Absicht Marczaks, einen zeitgenössischen polnischen Film zu machen, der mal „nicht immer nur deprimierend“ ist, ist mehr als aufgegangen. Selten hat eine Stadt besser ausgeschaut als dieses Warschau, in das man sofort reisen möchte, um dort die Nächte durchzutanzen und sein Leben mit hedonistischem Blödsinn zu verschwenden.

 

nhwasserDoch Breslau und das Festival stehen dem in wenig nach. Ob dank allabendlicher Party mit wechselnden DJs, einem eigenen Fahrradverleih, der Strandbar oder einem Open-Air Kino für alle mitten auf dem Rynek, das nowe horyzonty nimmt die ganze Stadt ein und jeden mit. So ist man gerne da und kommt noch lieber wieder.
Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Ahoj-Ausflug von Katharina. Permanenter Link des Eintrags.

Über Katharina

Katharina lebt seit ihrem Studium in Wien ihre Leidenschaft für Filme, Reisen und kulturellen Austausch bei Filmfestivals aller Orten aus – egal ob auf spanischen Inseln, in amerikanischen Groß- oder fränkischen Kleinstädten. Kein Wunder also, dass Sie früher oder später durch Cinepol auf Ahoj Nachbarn stoßen musste. Hier freut sie sich, ihren Horizont Richtung Osten erweitern zu können und über jedes polnische Wort, das man sich leicht merken kann. Kotlet, mleko, smacznego!