Polen geht wählen, aber wirklich alle Polen?

Zusammenfassung zur morgigen Parlamentswahl in Polen von Alicja Golańska

Oppositioneller “Marsch der Tausend Herzen” am 1. Oktober 2023, Karol Szejner via Wikimedia.org, CC BY-SA 4.0 DEED, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.en

Am 10. Oktober 2023 endete für im Ausland lebende Polen die Frist zur Registrierung für die kommenden Parlamentswahlen am 15. Oktober. An dem Tag werden sie ihre neue Regierung wählen – wird es eine dritte Kadenz für die nationalkonservative PiS-Partei (“Prawo i Sprawiedliwość”/ Deutsch: ”Recht und Gerechtigkeit”) oder schaffen es die Oppositionsparteien, allem voran die KO (“Koalicja Obywatelska”/ Deutsch: “Bürgerkoalition”), eine Mehrheit im Sejm zu erlangen? Laut der Tageszeitung Gazeta Wyborcza haben sich bis zu 600 Tausend im Ausland lebende polnische Staatsbürger zur Wahl angemeldet. Die Zahl ist ein historischer Rekord und zeigt, wie ernst es den Polen ist. 

Mit der nahenden Abstimmung kommen jedoch immer mehr Unregelmäßigkeiten in der Wahlorganisation ans Licht, die das Ergebnis zugunsten der PiS beeinflussen könnten. Gleichzeitig zur Wahl ist ein Referendum geplant. Den Fragebogen dazu bekommt jeder Wähler zusammen mit den Wahlunterlagen ausgehändigt. Die darin enthaltenen Fragen sind überraschend offen in ihrer Ablehnung der EU und “ausländischer Einflüsse” – und könnten unentschlossene Wähler in ihrer Stimmabgabe beeinflussen.

Die Deutsche Welle berichtete bereits im September über interne Konflikte im polnischen Generalkonsulat in München. Mitarbeiter äußerten die Sorge, dass Wähler benachteiligt würden, wenn sie die Aushändigung der Unterlagen für das Referendum ablehnen. Der organisatorische Mehraufwand würde die Stimmabgabe verlängern, sodass möglicherweise nicht alle Wahlberechtigten zum Zuge kommen und stattdessen vergeblich in der Schlange stehen. Ein entscheidendes Detail: Die Briefwahl ist nicht zugelassen. Dadurch wird der Andrang auf die wenigen Wahllokale noch größer.
Die Wahlkommissionen werden nicht nur mit dem Andrang zu kämpfen haben. Es ist fraglich, ob die abgegebenen Stimmen rechtzeitig ausgezählt werden können. Der strenge Zeitraum von 24 Stunden gilt nicht nur für die Parlamentswahlen. Die Stimmzettel des Referendums müssen gleichzeitig bearbeitet werden, obwohl sie nicht dem Wahlkodex unterliegen. Das Nachrichtenportal Wirtualna Polska warnt außerdem vor Fehlern in den Wahlzetteln. Jeder Wähler solle sich vergewissern, dass alle Papiere den Stempel der örtlichen Wahlkommission haben. Laut dem Portal Onet.pl bekennt sich das polnische Auswärtige Amt dazu, fehlerhafte Wahlunterlagen an die Vertretungen im Ausland geschickt zu haben. Sie bitten, diese nicht zu benutzen.

Der Ausgang der Wahl ist genauso ungewiss wie die Durchführung. Nach einem intensiven Wahlkampf liegt die PiS noch vor der KO, jedoch ist die Frustration vieler Polen deutlich spürbar.
Am Sonntag geht es um weitaus mehr als eine neue Regierung. Auf der Waage liegen europäische Werte wie der Umgang mit sexuellen Minderheiten, Immigrationsthemen und der weitere Kurs der polnischen Wirtschaft.

Wir von AHOJ Nachbarn e.V. sind für ein offenes Polen voller Toleranz und Liebe ❤️
- Mit viel Hoffnung für die Zukunft, eure Alicja